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Warum wurde die Dreamcast ein kommerzieller Misserfolg? Die Gründe für das Scheitern der Dreamcast sind sicherlich vielfältig und es gibt keine eindeutige Ursachen für deren Niedergang. Im Folgenden versuchen wir die Gründe zu erläutern, die zur Einstellung der Dreamcast geführt haben.

SEGA als Sponsor des FC Arsenal London

SEGA angeschlagen durch den Saturn

Sicherlich eine Rolle spielte, dass SEGA mit dem Saturn finanziell bereits angeschlagen war, bevor die Dreamcast überhaupt auf den Markt kam. So hatte SEGA deutlich weniger Geld für Marketing und Werbung übrig, zudem waren die beiden Konkurrenten Nintendo und insbesondere Sony finanziell eine Nummer größer als SEGA. Sowohl Sony als auch Nintendo hatten neben dem Heimkonsolenbereich noch ein oder mehrere weitere Standbeine. Nintendo kontrollierte mit dem GameBoy den lukrativen Mobilkonsolenmarkt, Sony war ein internationaler Elektronikgroßkonzern mit Milliardenumsatz. SEGA hingegen hatte neben dem immer weiter zurückgehenden Arcade-Sektor nur noch den Heimkonsolenmarkt, Absatzschwierigkeiten in diesem Bereich trafen das angeschlagene SEGA also besonders hart. Mit dem 1994 veröffentlichten und gefloppten MegaDrive-Addon 32X, das nach nicht einmal einem Jahr wieder fallen gelassen wurde, hatte SEGA zudem das Vertrauen bei vielen Fans zerstört.

Fehlender DVD-Player

Mit dem DVD-Player fehlte der Dreamcast zudem ein damals entscheidendes Feature, über das die PlayStation 2 ab Werk verfügte. Als SEGA die Dreamcast entwickelte, war die Bedeutung eines DVD-Laufwerks noch nicht absehbar, die Lage änderte sich aber drastisch innerhalb der nächsten Jahre. Insbesondere um das Jahr 2000 herum war der eingebaute DVD-Player der PlayStation 2 ein echter Kaufgrund für diese Konsole.

Hype um die PlayStation 2

Auch mit dem "Coolness-Faktor" der PlayStation 2 konnte die Dreamcast zudem einfach nicht mithalten. Die PlayStation 2, in dunklen Farben, erschien erwachsener und einfach "cooler" als SEGAs Dreamcast. Um die PS2 entstand ein enormer Hype, dem SEGA nichts vergleichbares entgegenzusetzen hatte. Je mehr über die PS2 bekannt wurde, desto schwächer wurden die Verkaufszahlen der Dreamcast. Die PS2 bekam bereits im Voraus eine enormen Medienaufmerksamkeit, diesem Hype hatte SEGA nur wenig entgegen zu setzen.

Dreamcast-Onlinegaming zu früh?

Eines der Hauptfeatures der Dreamcast, das Online-Gaming, war damals auf Spielkonsolen noch kein wirkliches Thema. Erst einige Jahre später, mit dem Start von Xbox Live und dem PlayStation Network im Jahr 2003 wurden Online-Spiele auf Konsolen reif für den Massenmarkt. Die Dreamcast-Onlinedienste wurden von Spielern zwar durchaus genutzt, stellten aber für die Meisten keinen wirklichen Kaufgrund oder ein "Killer-Feature" da.

Mangelnde Unterstützung durch Dritthersteller

Viele Dritthersteller hielten sich auf Grund ihrer schlechten Erfahrungen mit dem Saturn (oder auch aus sonstigen Gründen) von der Dreamcast fern. Electronic Arts, der Hersteller der beliebten EA-Sports-Spiele (FIFA, NBA...) hatte der Dreamcast seine Unterstützung versagt, nachdem die Spiele-Verkaufszahlen auf dem SEGA Saturn äußerst enttäuschend waren. Somit erschienen diese beliebten Sportspiele nicht auf der Dreamcast. Das Genre der Rollenspiele, ein insbesondere in Japan äußerst populäres Spielegenre, war auf der Dreamcast ebenfalls unterrepräsentiert. Der bekannte japanische Hersteller Squaresoft (heute Square Enix), bekannt für Spielereihen wie Final Fantasy, ignorierte die Dreamcast etwa völlig und veröffentlichte kein einziges Spiel für SEGAs Kringelbox.

Schwache Werbekampagne

In Europa ging zudem ein Großteil des Werbebudgets für äußerst teures Sponsoring von Spitzen-Sportmannschaften, wie etwa dem FC Arsenal London, drauf. Während dieses Sponsoring durchaus Wirkung in Großbritannien hatte, blieb das Engagement in den meisten anderen Teilen Europas völlig unbeachtet. Der Bereich Print- und Fernsehwerbung blieb ebenfalls relativ unbedient. Viele Spieler konnten damals mit der Marke Dreamcast nichts anfangen. Die Werbekampagne von SEGA Europe war für viele Menschen verwirrend und teils unattraktiv. Viel zu wenig Spieleszenen wurden gezeigt, stattdessen wurden Slogans wie "We all play games. Why don't we play together?" (zu Deutsch: "Wir alle spielen Spiele. Warum nicht zusammen?") beworben. Zur Eröffnung der Dreamarena strahlte SEGA in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Spanien jeweils drei Werbespots aus, in denen immer ein anderes der vier Länder als Online-Konkurrent dargestellt wurde (Beispielspot: Deutschland, aus der Sicht von Großbritannien). Eine sehr humorvoll gestaltete TV-Werbung, doch leider bekam man diese und weitere Spots in Deutschland kaum zu sehen, da sie oftmals zu unmöglichen Zeiten auf Spartenkanälen wie MTV oder ähnlichen Privatsendern liefen. Dennoch hätte die Dreamcast in Europa noch einige Zeit länger durchgehalten, als der japanische Mutterkonzern.

Obwohl SEGA nur über ein begrenztes Budget verfügte, bekam der Spieledesigner Yu Suzuki für die Produktion von Shenmue eine Summe von ungefähr 70 Millionen Dollar bereitgestellt. Anfangs wurde der Titel auf dem Saturn und später für Dreamcast entwickelt. Damit ist Shenmue eines der teuersten je entwickelten Videospiele. Nur noch GTA IV kann so eine hohe Zahl schlagen. Trotz des enormen Budgets und äußerst positiven Testergebnissen waren die Verkaufszahlen von Shenmue jedoch enttäuschend, was SEGA finanziell weiter belastete.

Raubkopierer-Szene?

Entgegen vieler Behauptungen hatten Raubkopierer und die Warez-Szene auf der Dreamcast keine negativen Auswirkungen auf die Dreamcast-Verkaufszahlen - im Gegenteil. Bestimmten Quellen zufolge sollen die Dreamcast-Verkäufe nach der Veröffentlichung der Utopia BootCD im Juni 2000 kurzfristig um 10 bis 20 Prozent gestiegen sein. Zudem lässt sich festhalten, dass Raubkopien auf der Dreamcast nicht verbreiteter waren als beispielsweise auf der PlayStation. Natürlich entgingen so SEGA und anderen Entwicklern Millionen, die sie anderweitig durch Spieleverkäufe hätten einnehmen können. Zur Einstellung der Dreamcast hat die Raubkopierer-Szene aber sicher nicht geführt. Die Raubkopierer-Szene kann man unter Umständen aber dafür verantwortlichen machen, dass ab 2001 einige Dreamcast-Spiele, die kurz vor der Fertigstellung standen, dann doch nicht mehr veröffentlicht wurden.

Fehlende Abwärtskompatibilität zum Saturn

Im Gegensatz zur PlayStation 2 war die Dreamcast nicht mit ihrer Vorgängerkonsole kompatibel.

Einer der Gründe für das Scheitern der Dreamcast war aber eventuell die fehlende Kompatibilität mit dem Saturn. Die PlayStation 2 war im Gegensatz zur Dreamcast mit ihrem Vorgänger kompatibel und somit konnten ab dem Launch hunderte an PSOne-Spielen mit ihr genutzt werden. Die Dreamcast war technisch hingegen anders als der Saturn aufgebaut und man konnte keine Spiele der Vorgängerkonsole auf ihr nutzen. Für viele Kunden spielte die Abwärtskompatibilität sicherlich eine Rolle bei der Kaufentscheidung. Um 2000 kamen zum Teil noch neue Toptitel für die PSX, wie etwa Final Fantasy IX, die meisten PSX-Spiele waren um 2000 zudem billig zu haben und damals durchaus noch aktuell. In Japan kam die Dreamcast 1998 mit lediglich vier Launchtiteln auf den Markt, bis Ende des Jahres waren immer noch nur 10 Titel verfügbar. Eine Abwärtskompatibilität hätte dem System sicherlich gut getan.

Ungünstiger Zeitpunkt zur Markteinführung

Letztlich lässt sich zudem festhalten, dass der Zeitpunkt für die Veröffentlichung der Dreamcast ungünstig gewählt war. Die Dreamcast wurde schon 1998 in Japan veröffentlicht. Sie wurde oft als erste 128-Bit-Konsole bezeichnet, stand aber damals eigentlich zwischen zwei Konsolengenerationen. Die Dreamcast konkurrierte anfangs mit der PSX und dem N64. Das Nintendo 64 war damals gerade einmal zwei Jahre auf dem Markt und technisch noch voll auf der Höhe. Bedenkt man, dass die Dreamcast schon ab 1997 entwickelt wurde, wird klar, dass teilweise Technik aus dem Jahr 1997 in der Dreamcast zum Einsatz kommt. Wichtige Technologien, wie etwa die DVD, waren zur Entwicklungszeit der Dreamcast noch nicht ausgereift oder erschienen damals noch unbedeutend. Während SEGA so beispielsweise auf ein DVD-Laufwerk verzichtete, setzte sich diese Technologie spätestens ab 1999 durch. Beim OnlineGaming setzte SEGA ebenfalls noch voll auf Modems - während wenige Jahre später der Siegeszug von DSL begann. SEGAs Kringelbox war dem Nintendo 64 und insbesondere der PSX technisch natürlich trotzdem drastisch überlegen - aber der Leistungsunterschied erschien für die meisten Spieler oft gering. Viele Multiplattform-Titel wurden ohnehin für mehrere Plattformen gleichzeitig entwickelt und sahen so auf allen Systemen weitgehend gleich aus. Die Dreamcast-Version von beispielsweise Rayman 2 unterscheidet sich grafisch kaum von der N64-Version. Die Dreamcast-Version sah dann nur geringfügig besser aus, als beispielsweise ihr N64-Pendant. Die Zeit, die zwischen dem Release der PS2 und der Dreamcast verging konnte Sony nutzen, um auf Markttrends zu reagieren und modernere Technologien als SEGA zu verwenden.

Neue Konkurrenten in den Startlöchern: GameCube und Xbox

Hätte SEGA nicht 2001 aufgegeben, wären im selben Jahr mit dem GameCube und der Xbox noch zwei weitere Konkurrenten auf den Markt gekommen, die sogar der PS2 technisch noch einmal deutlich überlegen waren. Es ist fraglich ob der Heimkonsolen-Markt genügend Raum für vier Hersteller zugelassen hätte. Spätestens ab 2002 hätte SEGAs Hardware auch alt ausgesehen, GameCube und Xbox waren der Dreamcast technisch wirklich deutlich überlegen, auch der grafische Vorsprung der PS2 wurde sichtbarer. Die für die Dreamcast eigens entwickelte GD-ROM hätte sich dann mit ihren 1,2 GB Fassungsvermögen unter Umständen als zu klein erwiesen - wenn man bedenkt, dass bereits Shenmue auf 4 GDs ausgeliefert wurde und Spiele mit diesem Umfang immer häufiger wurden. Man kann also sagen, es wäre im Sinne SEGAs gewesen, mit der Dreamcast noch ein bis zwei Jahre zu warten um für das neue Jahrtausend besser gerüstet zu sein.

Allerdings war SEGA durch das Saturn-Debakel unter Zugzwang und wollte so schnell wie möglich, einen Nachfolger für den äußerst schlecht laufenden Saturn auf den Markt bringen. Angenommen SEGA hätte die Dreamcast-Produktion nie eingestellt und wäre im Konsolengeschäft verblieben, so wäre es gut möglich gewesen, dass man spätestens 2003 einen Dreamcast-Nachfolger auf den Markt gebracht hätte. Die Dreamcast wäre zu diesem Zeitpunkt etwa fünf Jahre alt gewesen, der Saturn erhielt bereits nach vier Jahren einen Nachfolger. SEGA hat vermutlich erkannt, dass die Dreamcast auf dem Heimkonsolen-Markt langfristig nur noch wenige Perspektiven hatte. Um einen Dreamcast-Nachfolger zu entwickeln und zu bewerben reichten die Mittel bei SEGA nach jahrelangen Verlusten einfach nicht mehr. Die Dreamcast-Technik wäre wohl spätestens ab 2002 oder 2003 rückständig gewesen. Letztlich wären dann Third-Party-Entwickler zunehmend vom Dreamcast-Zug abgesprungen.

Große Zeitspanne zwischen Japan-Release und Veröffentlichung im Westen

Damit die Dreamcast auch nach dem Erscheinen der PS2 eine Chance auf dem Markt gehabt hätte, hätte SEGAs es schaffen müssen bis dahin wesentlich mehr Geräte zu verkaufen. Hätte man etwa 15 Millionen Geräte bis zum Launch der PS2 verkauft, hätte SEGA danach einen wesentlich stabileren Stand gehabt und mehr Third-Party-Entwickler auf die eigene Seite gezogen. Eine vorübergehende, durch den PS2-Hype bedingte Flaute der Dreamcast-Verkaufszahlen hätte SEGA dann auch wesentlich besser verkraftet. Angesichts dieser Tatsache ist es besonders fraglich, wieso SEGA fast ein Jahr wartete, bis man die Dreamcast außerhalb Japans veröffentlichte. In dieser Zeit hätte man in westlichen Landen sicher mehrere Millionen Geräte absetzen können. Es wäre absolut möglich gewesen, die Dreamcast im Frühjahr 1999 zu veröffentlichen. Ende 1999, als dann die Dreamcast endlich auch in Europa und Nordamerika verfügbar war, stand die PS2 schon vor der Tür. Sony schaffte es dann, binnen weniger Monate die Dreamcast zu überholen.

Niedrige Verkaufszahlen?

Betrachtet man die Verkaufszahlen der Dreamcast, erscheinen diese bei genauerer Betrachtung eigentlich gar nicht so schlecht. Es gibt hierzu zwar keine genauen Zahlen, Schätzungen reichen von 9 Millionen bis 11 Millionen verkauften Dreamcasts. Angesichts der Tatsache, dass die Dreamcast in Japan bis zu ihrer Einstellung kaum mehr als zwei Jahre, in Europa und den USA kaum mehr als ein Jahr auf dem Markt war, sind dies keine wirklich schlechten Zahlen. Insbesondere wenn man bedenkt, dass Nintendo mit dem GameCube auch nur rund 22 Millionen Geräte verkaufen konnte - und das innerhalb von fünf Jahren. Im Gegensatz zu Nintendo fehlte SEGA aber eine Art zweites Standbein, mit dem man die Verluste im Heimkonsolenbereich hätte verkraften könnten. Nintendo hatte hierzu den erfolgreichen GameBoy, SEGA hatte nur den stetig schrumpfenden und wesentlich kleineren Arcade-Markt.

Am Ende kann man sagen, dass die Verkaufszahlen der Dreamcast längst nicht so schlecht waren, wie oft behauptet. Die Verkaufszahlen waren nur einer von vielen Gründen, warum die Dreamcast letztlich eingestellt wurde.