Interview mit TheGypsy

Aus SEGA-DC.DE

Der Guru spricht...

TheGypsy war einer der bekanntesten Hobby-Programmierer der Dreamcast-Szene. Sein MPEG-Spieler für Dreamcast, GypPlay, wurde über eine Million Mal heruntergeladen und über Nacht wurde er zur Szene-Berühmtheit. Auch in Printmagazinen wie der c't oder auf renomierten Webseiten wie Slashdot.org oder golem.de fand seine Arbeit Erwähnung. Im April 2008 sprach er mit uns nach fast 9 Jahren erstmals über GypPlay.

Warum hast du eigentlich GypPlay veröffentlicht? Was für Probleme hattest du während der Entwicklung und wie hast du sie gelöst?

Ich habe GypPlay hauptsächlich deswegen geschrieben, weil ich dachte, dass es interessant wäre etwas für Dreamcast zu entwickeln. Ich hatte bereits Erfahrung in der Programmierung unter Windows gesammelt und die Tatsache, dass es die WindowsCE-Bibliotheken auch für Dreamcast gab, hat das ganze natürlich um einiges einfacher gemacht.

Natürlich war eines der Probleme der Mangel an verfügbarer Dokumentation der Dreamcast-Hardware und -Entwicklungsbibliotheken. Ich hatte zwar Zugriff auf Teile der geleakten, offiziellen Dokumentation des Entwicklerkits, aber auch das war nicht wirklich hilfreich. Es gab zwar einige gute Code-Beispiele, aber meistens wurden sehr spezielle Funktionen demonstriert. Deshalb hieß es für mich oft einfach: Denk dir wie es laufen könnte, und schau ob es funktioniert.

Das fast noch größere Problem war der Mangel an Entwickler-Hardware. Es gab keine Debug-Konsolen und erst recht keine Emulatoren. Dreamcast-Programmierung hieß für mich damals unendlich viele CD-Rs zu brennen. Ich habe um die 70 bis 80 CD-Rs gebrannt, bis ich es endlich geschafft habe, meinen Dreamcast so umzubauen, dass er CD-RWs lesen konnte. Damals musste man auch ständige die CDs wechseln, damit ich meine eigenen Programme ohne BootCD überhaupt starten konnte. Ich hatte eine eigene Konsole, die ich ohne Gehäuse neben meinem PC stehen hatte, sodass ich die CDs einfacher wechseln konnte.

Später erschien die Utopia BootCD und hat mir das Leben natürlich erleichtert. Andererseits war das natürlich auch der Startschuss für Raubkopierer.

Wie lange hast du an GypPlay gearbeitet, bis du es erstmals veröffentlicht hast?

Ich habe vor kurzem durch alle meine Notizen und E-Mails aus dieser Zeit durchgeblättert, aber ich konnte nicht mehr herausfinden, wann genau ich mit der Entwicklung von GypPlay angefangen habe. Bevor ich mit der eigentlichen Arbeit an GypPlay anfangen konnte, musste ich einen WindowsCD-Lader schreiben, mit dem ich die Programme mit dem seriellem Kabel auf den PC übertragen konnte. Noch während ich mit dem WinCE-Lader beschäftigt war, habe ich auch mit der eigentlichen Entwicklung von GypPlay begonnen. Ich schätze, dass ich drei Wochen bis zu einem Monat an GypPlay gearbeitet habe, bevor ich veröffentlicht habe. Die Version 1.0 wurde am 14.8.2000 gegen drei Uhr früh veröffentlich, die Version 1.1 folgte dann nur etwa 12 Stunden später.

Hast du neben GypPlay an anderen Dreamcast-Projekten gearbeitet?

Ich war an der Entwicklung von CyRUS64's Gameboy-Emulator für Dreamcast, Boob!boy, beteiligt. Um ehrlich zu sein, war ich allerdings nie ein besonderer Fan von Emulatoren und ich wollte nicht, dass mein Nickname in Verbindung mit einem Emulator genannt wird. Damals hatte ich den Kontroller-Code für Boob!boy geschrieben, da CyRUS64 Probleme hatte, die Steuerung zum Laufen zu bekommen. Dann habe ich CyRUS gebeten, meine Hilfe nicht zu erwähnen.

Und wie hat die Szene auf GypPlay reagiert?

Die ersten Rückmeldungen waren fantastisch. Die Möglichkeit MPEG-Videos auf dem Dreamcast anzusehen, das ganze sogar ziemlich ruckelfrei, hat zu dieser Zeit wirklich viele Leute interessiert. Und dementsprechend wurde ich für GypPlay gelobt.

Die Entwicklergemeinde stand dem allerdings mit gemischten Gefühlen gegenüber. Ich wurde zum Beispiel dafür kritisiert, dass ich das offizielle SDK benutzt hatte. Natürlich hätte ich es auch lieber ohne SEGA- oder Microsoft-Bibliotheken gemacht, aber zu diesem Zeitpunkt ging es einfach nicht anders. Es gab kaum Dokumentation zu nicht offiziellen Alternativen, und das, was damals in Entwicklung war, war damals auch noch in so einem frühen Stadium, dass ich es für GypPlay kaum hätte benutzen können. Außerdem hatte ich natürlich noch eine "echte" Arbeit, der ich nachgehen musste, um meine Brötchen zu verdienen. (Lacht.)

Letztendlich habe ich mich aber mit vielen Leute aus der Dreamcast-Szene, die damals erst richtig in Fahrt kam, angefreundet (unter anderem Dan Potter und Marcus Comstedt) und am Ende hat mich auch die Entwicklergemeinde über längere Zeit hin motiviert, mit GypPlay weiter zu machen.

Hat SEGA jemals versucht dich zu kontaktieren?

Eigentlich habe ich den ersten Schritt gemacht und habe SEGA selbst kontaktiert. Nachdem GypPlay veröffentlich wurde und nachdem es richtig bekannt wurde, machte ich mir Sorgen darüber, dass SEGA oder Microsoft entsprechende rechtliche Schritte gegen mich einleiten würden, da ich ja ihre geschützten Entwicklungsbibliotheken benutzt hatte. Ich habe schließlich einen Beitrag von John Byrd, der damals Chef der Entwicklungsabteilung von SEGA war, gefunden und ihn umgehend via E-Mail kontaktiert. Nach einigen E-Mails haben wir dann ein Lizenzabkommen ausgearbeitet, das mir erlaubt hat, GypPlay weiterhin ohne Bedenken zum Download anzubieten. Mir wurden unter anderem ein sogenanntes NDA ("Non-Disclosure Agreement") und die Lizenzvereinbarung der Entwicklerkits zu gesandt. Ich wurde auf der SEGAs Dreamcast-Entwicklerseite als "offizieller unabhängiger Dreamcast-Entwickler" angemeldet. Soweit ich weiß, war ich weltweit die einzige Person, die diesen Status innehatte. Das war Ende September 2000.

SEGA hat mir damals auch mitgeteilt, dass sie an einer Art OpenSource-Lizenz für Hobby-Programmierer arbeiten würden, die uns privaten Entwicklern erlauben würde, Programme wie GypPlay ohne Probleme veröffentlichen zu können. Leider kam es gar nicht mehr dazu. Der ganze Papierkram dauerte Monate. SEGA of America musste alles zu SEGA Japan senden und die Japaner das alles wiederum zu Microsoft. Im Januar hatte ich dann Zugriff auf die offizielle Entwicklerseite und konnte mir zum Beispiel auch offizielle Entwicklerhardware kaufen. Leider hatte ich zu dieser Zeit nicht besonders viel Geld übrig und so war eine Dreamcast-Maus alles was ich über diese Webseite gekauft hatte. Leider verschlechterte sich während der nächsten sechs Monate die Lage bei SEGA drastisch. Die Dreamcast-Produktion wurde eingestellt und John Byrd und sein Team aus der Dreamcast-Entwicklerabteilung verließen SEGA entweder komplett oder wechselten in eine andere Abteilung von SEGA. Bereits im Juli gab es für Entwickler keine offizielle Unterstützung mehr. Ich habe versucht an einige der übriggebliebenen Entwicklergeräte heranzukommen, aber bevor ich dazu kam, wurde bereits alles Dreamcast-bezogene von SEGA eingestellt und die Entwicklerwebseite geschlossen. Das Kapitel Dreamcast war für SEGA beendet.

Warum hast du eigentlich die Entwicklung an GypPlay eingestellt?

Hauptsächlich wegen Zeitmangel. Außerdem konnte ich kein Lizenzabkommen mit SEGA für zukünftige Versionen von GypPlay aushandeln, da SEGA ja die Dreamcast-Entwicklerabteilung schloss. Ich wollte ein solches Risiko nicht nochmal eingehen. Außerdem hatte ich damals mit GypPlay den y2kode-Programmierwettbewerb vom Online-Händler Lik-Sang gewonnen. Ich hatte eine kostenlose, einwöchige Reise nach Hong Kong gewonnen. Das war für mich persönlich der absolute Höhepunkt der Entwicklung von GypPlay. Ich hatte damals wirklich mein bestes gegeben und hatte die letzte finale Version von GypPlay veröffentlicht. Ich habe damals auch beschlossen, dass ich lieber an anderen Projekten weiterarbeiten würde.

Was denkst du über die Dreamcast-Szene heute?

Um ehrlich zu sein, hatte ich die Szene in den letzten Jahren ziemlich aus den Augen verloren. Ich persönlich denke, dass die Dreamcast-Szene ihren Zenit wohl leider schon lange überschritten hat - auch für Hobby-Entwickler. Es gibt natürlich immer noch viele Fans, die sich noch immer dafür interessieren, aber es ist leider nicht mehr so, dass man ein Programm veröffentlichen kann und zuschauen kann, wie es innerhalb weniger Stunden mehrere hundert oder tausende Male heruntergeladen wird.

Denkst du du wirst jemals wieder in die Szene zurückkehren?

Das wäre sehr unwahrscheinlich. Das Leben geht weiter und ich finde immer wieder neue Dinge, die mich interessieren. Ab und zu schaue ich immer wieder gerne auf Dreacmast-Webseiten, nur um zu sehen, was es Neues gibt. Aber meine Zeit als aktiver Entwickler ist leider vorbei. Leute kommen und gehen, das ist der Lauf der Zeit. Ich hatte wirklich eine großartige Zeit in der Dreamcast-Szene, habe nette Menschen kennengelernt und ich werde mich immer gerne an diese Zeit zurückerinnern.

Danke an TheGypsy für das großartige Interview!